Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihren Zyklus der geldpolitischen Lockerung unterbrochen und den Einlagensatz im Juli 2025 bei 2 % belassen. Für die Immobilienmärkte bedeutet dies nach einem Jahr kontinuierlicher Senkungen einen Moment der Stabilität, auch wenn strukturelle Probleme wie Angebotsengpässe und Schwächen im Gewerbesektor bestehen bleiben.
Eine Pause nach acht Senkungen
Am 24. Juli 2025 beließ die EZB ihre Einlagefazilität bei 2,00 %, den Hauptrefinanzierungssatz bei 2,15 % und den Spitzenrefinanzierungssatz bei 2,40 %. Dies geschah nach acht Senkungen seit Mitte 2024, die den Einlagensatz von 4 % auf 2 % gesenkt hatten.
Isabel Schnabel, Direktoriumsmitglied der EZB: „Der aktuelle Leitzins von 2 % kann leicht unterstützend wirken, weshalb es jetzt angemessen ist, die Zinsen stabil zu halten.“
Martins Kazaks, Gouverneur der Bank von Lettland: „Die Pause gibt uns Spielraum, eingehende Daten zu bewerten und Flexibilität, falls sich die Bedingungen verschlechtern.“
Für Entwickler und Investoren bedeutet dies ein besser vorhersehbares Finanzierungsumfeld. Nach Monaten der Unsicherheit ermöglicht die Stabilität der Zinsen eine verlässlichere Planung von Akquisitionen und Refinanzierungen.
Inflation nahe dem Ziel
Die Inflation im Euroraum stieg im August 2025 auf 2,1 %, während die Kerninflation stabil bei 2,3 % blieb. Obwohl nah am Ziel, bleiben die politischen Entscheidungsträger vorsichtig angesichts von Risiken: US-Zölle auf europäische Exporte, volatile Energiemärkte und Wechselkursbewegungen gegenüber dem Dollar.
Für Haushalte unterstützt die stabile Inflation die Realeinkommen und trägt zur Aufrechterhaltung der Wohnungsnachfrage bei. Gleichzeitig öffnen Banken vorsichtig wieder Kreditkanäle, was insbesondere Ersterwerbern und Familien mit mittlerem Einkommen zugutekommt, die 2023–2024 von hohen Hypothekenzinsen verdrängt wurden.
Wohnimmobilienmärkte gewinnen an Dynamik
Nach zwei schwachen Jahren zeigt der europäische Wohnungsmarkt neue Dynamik:
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Die Hauspreise in der EU stiegen im 4. Quartal 2024 um 4,9 % im Jahresvergleich, mit einem realen Wachstum von 2,1 % nach Inflationsbereinigung.
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Portugal, Spanien, die Niederlande und mehrere Länder in Mittel- und Osteuropa verzeichneten Zuwächse von über 10 %.
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Die Hypothekenzinsen sanken im Mai 2025 auf 3,3 %, während das Wachstum der Hypothekenkredite mit 2,0 % wieder positiv wurde – ein Zeichen für zurückkehrendes Käufervertrauen.
Branchenexperten betonen, dass die Erholung nicht spekulativ ist, sondern durch Demografie, Urbanisierung und Angebotsengpässe angetrieben wird. In vielen Ländern bleibt die Bautätigkeit weit hinter der Nachfrage zurück, was den Preisdruck selbst in sekundären Städten erhöht.
Gewerbeimmobilien: Eine geteilte Erholung
Der Gewerbesektor erlebt eine zweigleisige Erholung. Logistik, Wohnungsvermietung und Rechenzentren ziehen weiterhin Kapital an, gestützt durch E-Commerce, Wohnungsnachfrage und KI-Infrastruktur. Im Gegensatz dazu steht der Büromarkt unter Druck.
UBS Asset Management: „Die Nachfrage konzentriert sich auf erstklassige, energieeffiziente Büros, während ältere Objekte an Wert und Liquidität verlieren.“
CBRE-Analysten stellen in ihrem European Real Estate Outlook 2025 fest, dass Wohnimmobilien das widerstandsfähigste Segment bleiben, wobei sich die Transaktionsvolumina allmählich stabilisieren, da sich die Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern annähern.
Abrdn-Prognose: „Wir erwarten für 2025 Gesamtrenditen von 7,4 % und durchschnittliche Jahresrenditen von 9–9,3 % in den nächsten drei bis fünf Jahren.“
Regionale Schwerpunkte
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Deutschland: Die Wohnungsnachfrage ist hoch, aber die Fertigstellungen fielen 2024 auf ≈252.000 Einheiten, weit unter dem jährlichen Ziel von 400.000. Die Knappheit wird den Preisdruck insbesondere in Berlin, Hamburg und München aufrechterhalten.
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Frankreich: In Paris stabilisierten sich die Preise Mitte 2025 bei 9.500–9.800 €/m², während sie in Lyon stagnierten und in Marseille leicht stiegen. Die Nachfrage im Premiumsegment durch internationale Käufer bleibt stark, trotz strengerer Mietregeln.
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Spanien: Madrid verzeichnet weiterhin starkes Wachstum; in Barcelona führt das geplante Verbot von Ferienwohnungen bis 2028 bereits zu einer Verlagerung des Angebots in den Langzeitmietmarkt und steigert die Renditen institutioneller Vermieter.
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Italien: Mailand führt den Markt mit stetigem Wachstum, unterstützt durch ausländische Investoren, während südliche Regionen wie Kalabrien und Molise die günstigsten in Europa bleiben – mit Preisen oft unter 1.500 €/m².
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Niederlande: In Amsterdam liegen die Preise durchschnittlich bei 8.000–9.000 €/m², mit privaten Mieten von über 1.800 €/Monat. Der Mangel an neuem Angebot dürfte bis 2026 anhalten und die Stadt unter Europas teuersten Mietmärkten halten.
Anlegerstimmung und Kapitalflüsse
Institutionelle Investoren passen sich schnell an. Private-Equity-Fonds und Pensionsfonds verlagern ihr Engagement stärker in Wohnsegmente (Mietwohnungen, Studentenwohnungen, Seniorenwohnen) sowie in infrastrukturgebundene Anlagen wie Rechenzentren. Zertifizierungen für nachhaltiges Bauen und ESG-Standards gelten inzwischen als Mindestanforderung und nicht mehr als Bonus.
Laut Financial Times fließt Kapital zunehmend in Wohn- und Logistikimmobilien, die stabile Belegungsquoten und Renditen bieten, während der Bürosektor voraussichtlich ein Jahrzehnt für eine Neupositionierung benötigt, um wieder wettbewerbsfähig zu werden.
Fazit
Die Pause der EZB verschafft Haushalten, Entwicklern und Investoren Luft. Die Wohnimmobilienmärkte gewinnen in großen Teilen Europas an Dynamik, während sich die gewerblichen Immobilien zwischen florierenden nachhaltigen Objekten und kämpfenden Altbeständen spalten. Für 2025 liegt die Widerstandsfähigkeit in Nachhaltigkeit, Wohnungsnachfrage und einkommenssicheren Investitionen.