Institutionelles Kapital expandiert im europäischen Wohnungsmarkt, während die Erschwinglichkeit sinkt

by Markus Weber
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Institutional Capital Shapes Europe’s Housing Market

Institutionelle Investoren festigen ihre Präsenz auf dem europäischen Wohnungsmarkt gerade in einer Phase wachsender Belastungen bei der Erschwinglichkeit. Laut JLL machte der „Living“-Sektor – einschließlich Mehrfamilienhäusern, Einfamilienmietobjekten, Studentenwohnungen und Seniorenresidenzen – 26 % des gesamten Immobilieninvestments im Jahr 2024 aus und überholte damit Büros als größtes Segment. Die Nachfrage bleibt auch 2025 stark, da Portfoliotransaktionen zurückkehren und Investoren stabile Cashflows zunehmend priorisieren.

Kapitalflüsse verstärken sich 2025

Die Dynamik setzte sich 2025 fort. JLL berichtet, dass im 2. Quartal 2025 das in Wohnimmobilien investierte Kapital 13,5 Mrd. € erreichte, ein Plus von 35 % gegenüber Q1 und 2 % im Jahresvergleich. Damit stiegen die Volumina im ersten Halbjahr auf 23,5 Mrd. €, was einem Anstieg von 7 % gegenüber H1 2024 entspricht. Bemerkenswert ist, dass 72 % dieses Kapitals in Bestandsimmobilien flossen, was die Präferenz für sofortige Erträge gegenüber Entwicklungsrisiken widerspiegelt.

Das demografische Wachstum stützt diese Resilienz. JLL schätzt, dass die 15 größten europäischen Städte bis 2030 rund 1,14 Mio. zusätzliche Einwohner aufnehmen werden. Die Fertigstellungen bleiben jedoch weit hinter der Nachfrage zurück – bedingt durch hohe Baukosten, Arbeitskräftemangel und Finanzierungsengpässe. Dieses Ungleichgewicht sorgt für hohe Belegungsquoten und steigende Mieten – Eigenschaften, die langfristig orientiertes Kapital wie Pensionskassen und Versicherungen anziehen.

Preise und Mieten steigen weiter

Eurostat bestätigt die wachsende Kluft bei der Erschwinglichkeit. Im 1. Quartal 2025 stiegen die Immobilienpreise in der EU um 5,7 % im Jahresvergleich, während die Mieten um 3,2 % zulegten. Gegenüber dem 4. Quartal 2024 erhöhten sich die Preise um 1,4 %, die Mieten um 0,9 %. Seit 2010 beläuft sich das kumulierte Wachstum auf +57,9 % bei den Immobilienpreisen und +27,8 % bei den Mieten.

Die Hypothekenfinanzierung bleibt teuer, auch wenn sie von den Höchstständen 2023 zurückgegangen ist. Die Europäische Zentralbank meldete, dass im Juli 2025 der durchschnittliche Zinssatz für neue Wohnungsbaukredite bei 3,28 % lag, wobei feste Verträge je nach Laufzeit zwischen 3,1–3,5 % schwankten. Die EZB betont, dass die Wohnungserschwinglichkeit sich „nur teilweise erholt hat“ und weiterhin unter dem Niveau von vor 2021 liegt.

Lokale Marktbeispiele

Barcelona. Das Mietwachstum ist stark. Laut Idealista lagen die durchschnittlichen Angebotsmieten im März 2025 bei 23,6 €/m² pro Monat, ein Plus von 13,5 % im Jahresvergleich. Die Verkaufspreise variieren je nach Stadtteil, wobei Toplagen deutliche Aufschläge gegenüber dem breiten Markt erzielen.

Mailand. Die durchschnittlichen Verkaufspreise für normale Wohnlagen liegen zwischen 5.400–5.800 €/m², so italienische Immobilienportale. In Spitzenlagen wie Quadrilatero und Brera werden regelmäßig über 12.000 €/m² erzielt – ein Beweis für die starke internationale Nachfrage nach Prestigeobjekten.

Regulierung bestimmt die Renditen

Politische Entscheidungsträger in Europa verschärfen die Regeln, um Erschwinglichkeit und Angebot ins Gleichgewicht zu bringen, wobei die Ansätze unterschiedlich sind.

  • Deutschland. Die Mietpreisbremse begrenzt neue Mieten in angespannten Gebieten auf maximal 10 % über dem örtlichen Referenzwert. Die Durchsetzung variiert, aber die Bremse hat die Steigerungen in Berlin und München verlangsamt.

  • Frankreich. Seit Januar 2025 dürfen Wohnungen mit Energieausweis der Klasse G (DPE) nicht mehr vermietet werden. Zudem gilt ein Mietstopp für ineffiziente Objekte, was Eigentümer zu Sanierungen zwingt, jedoch kurzfristig das Angebot verringert.

  • Spanien. Das Wohnungsgesetz von 2023 ermöglicht Mietobergrenzen in „angespannten“ Gebieten. Katalonien setzte den Rahmen 2024 um – zunächst in 140 Gemeinden, später in über 270. Die Anwendung bleibt uneinheitlich, was für Investoren Unsicherheit schafft.

Diese fragmentierten Politiken erschweren grenzüberschreitende Portfolios, haben den Kapitalfluss in den europäischen Wohnungssektor jedoch nicht gestoppt.

Warum Institutionen optimistisch bleiben

Mehrere Faktoren erklären die anhaltende Nachfrage:

  1. Chronische Unterversorgung. Die Nachfrage wächst schneller als das Angebot, die Pipeline bleibt dünn.

  2. Stabile Erträge. Mieten folgen der Inflation, die Auslastung liegt in Großstädten oft über 95 %, was verlässliche Renditen bietet.

  3. Rückkehr der Liquidität. Mit der Stabilisierung der Geldpolitik kehren große Portfoliotransaktionen zurück und schaffen Effizienz.

  4. ESG-Ausrichtung. Neue Projekte eröffnen Möglichkeiten, grünes Kapital in energieeffizienten Wohnraum zu investieren.

Für Investoren bieten Wohnimmobilien Diversifizierung abseits volatilerer Segmente wie Büro oder Einzelhandel und passen zu langfristigen Verpflichtungsstrukturen.

Ausblick: Haushalte unter Druck

Die EZB warnt, dass die kurze Abschwächung am europäischen Wohnungsmarkt neuen Preissteigerungen gewichen ist und die Erschwinglichkeitsprobleme verschärft. Bleibt der Wohnungsbau hinter der Nachfrage zurück, dürften die Miet-Einkommens-Quoten in den Hauptstädten bis 2026 weiter steigen. Die wachsenden Kosten bergen das Risiko, politische Debatten anzuheizen, wobei Regierungen über zusätzliche Mietobergrenzen, Subventionen und wohnrechtliche Maßnahmen nachdenken.

Für institutionelle Investoren bleiben die Fundamentaldaten jedoch günstig: begrenztes Angebot, verlässliche Cashflows und eine zunehmend reife, liquide Anlageklasse. Der Kontrast ist deutlich – für Investoren ist der europäische Wohnungsmarkt eine widerstandsfähige Chance; für Haushalte hingegen droht eine wachsende Ungleichheit, sofern Politik und privates Kapital nicht zusammenwirken, um mehr – und nachhaltigere – Wohnungen bereitzustellen.

„Die Geldpolitik kann Wohnen deutlich erschwinglicher oder unerschwinglicher machen – vor allem durch ihre Wirkung auf die Hypothekenzinsen.“ — Europäische Zentralbank

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