In der ersten Hälfte des Jahres 2025 hat sich die Stimmung der Privatanleger auf dem europäischen Immobilienmarkt deutlich gewandelt. Mehr als 11 Milliarden Euro wurden aus offenen Immobilienfonds in der EU abgezogen – einer der größten Kapitalabflüsse seit der Finanzkrise 2008. Ursachen sind steigende Zinsen, die Sorge vor sinkenden Immobilienbewertungen, verschärfte Regulierungen und wachsende Unsicherheit über die Erträge gewerblicher Immobilien.
Massive Abflüsse als Zeichen wachsender Unsicherheit
Daten von Morningstar und verschiedenen Fondsgesellschaften bestätigen, dass Privatanleger ihr Kapital zunehmend aus immobilienbezogenen Fonds abziehen. Allein im ersten Quartal 2025 überstiegen die Rücknahmen 6 Milliarden Euro – und die Entwicklung setzte sich im Frühjahr fort. Besonders betroffen sind Deutschland, Frankreich, Luxemburg und die Niederlande, wo mehrere bekannte Fonds rückläufige Mittelzuflüsse melden.
Große Anbieter wie BlackRock, UBS und DWS verzeichnen beschleunigte Rücknahmen aus ihren offenen Immobilienfonds. Institutionelle Anleger hingegen bleiben bislang überwiegend investiert und verfolgen eine abwartende Haltung.
Hauptgründe für den Kapitalabfluss
1. Höhere Zinsen. Die Europäische Zentralbank (EZB) verfolgt zur Inflationsbekämpfung eine restriktive Geldpolitik. Die gestiegenen Finanzierungskosten verringern die Ertragsaussichten der Fonds und machen sie für renditeorientierte Privatanleger unattraktiver.
2. Liquiditätsrisiken. Viele offene Fonds bieten monatliche oder vierteljährliche Rückgabemöglichkeiten, investieren aber in illiquide Immobilien wie Büros oder Einkaufszentren. In volatilen Zeiten kann dies zu Liquiditätsengpässen führen – ein Risiko, das viele Anleger vermeiden wollen.
3. Angst vor Wertverlust. Büro- und Einzelhandelsimmobilien haben es schwer, wieder die Auslastung der Vor-Corona-Zeit zu erreichen. Mit anhaltendem Homeoffice und rückläufiger Kundenfrequenz im stationären Handel werden Wertverluste befürchtet, was den Verkaufsdruck erhöht.
4. Regulierung. In mehreren EU-Staaten, darunter Deutschland und die Niederlande, wurden die Regeln für offene Immobilienfonds verschärft. Ziel ist ein stabileres System – doch viele Anleger empfinden dies als weiteres Unsicherheitsmoment.
Besonders betroffene Segmente
Fonds mit Schwerpunkt auf Büro- und Einzelhandelsimmobilien sind am stärksten vom Rückgang betroffen. Diese Sektoren leiden unter strukturellen Veränderungen. So steigen etwa die Leerstandsquoten in Städten wie Frankfurt und Paris, während Einkaufszentren in Randlagen sinkende Mieteinnahmen und Auslastung verzeichnen.
Demgegenüber erweisen sich Logistik- und Industrieimmobilien als widerstandsfähiger. Diese Segmente bleiben für institutionelle Anleger attraktiv, bieten aber vergleichsweise geringe Renditen, was sie für Privatanleger weniger interessant macht.
Maßnahmen der Fonds und Marktauswirkungen
Der rapide Mittelabfluss zwingt Fondsmanager zu drastischen Maßnahmen. Manche verkaufen Objekte – teilweise unter Marktwert – um Rückgaben zu bedienen. Andere begrenzen Rücknahmen oder setzen neue Zeichnungen aus.
In Frankreich meldete der SCPI-Fonds Corum Origin einen Rückgang der Neuanlagen um 25 % gegenüber dem Vorjahr. In Deutschland begrenzte Deka Immobilien Rückgaben zur Liquiditätssicherung. In Luxemburg hat REInvest Asset Management die Ausgabe neuer Fondsanteile vorübergehend ausgesetzt.
In den Niederlanden richtet Altera Vastgoed den Fokus stärker auf Wohnimmobilien, die sich als stabiler und nachgefragter erweisen.
Wandel im Anlegerverhalten
Privatanleger suchen nun verstärkt nach liquideren und sichereren Alternativen. Geldmarktfonds, Anleihen und inflationsgeschützte Produkte gewinnen an Beliebtheit. Finanzberater berichten von einer Prioritätsverschiebung hin zu Kapitalschutz und Risikoabsicherung.
Auch börsengehandelte Immobilien-ETFs (REITs) werden zunehmend nachgefragt. Sie bieten tägliche Handelbarkeit und größere Diversifikation im Vergleich zu länderspezifischen Fonds.
Ausblick für 2025 und darüber hinaus
Einige Analysten erwarten, dass Immobilienfonds in der zweiten Jahreshälfte 2025 wieder attraktiver werden könnten – vorausgesetzt, die Inflation geht zurück und die EZB senkt die Zinsen. Doch um Vertrauen zurückzugewinnen, müssen sich Fondsstrukturen verändern.
Zukünftige Modelle dürften geringere, aber planbare Liquidität bieten, höhere Transparenz schaffen und stärker diversifiziert sein. ESG-orientierte Strategien könnten zudem eine jüngere, nachhaltigkeitsbewusste Anlegergeneration ansprechen.
Gleichzeitig planen viele Fondsmanager Investitionen in Wohnimmobilien, Studentenwohnheime und Seniorenresidenzen – Bereiche mit stabiler Nachfrage und langfristigem Potenzial.
Fazit
Retail Investors Dump €11B in EU Property Funds Amid Risks – diese Schlagzeile bringt die Vertrauenskrise auf dem europäischen Immobilienanlagemarkt treffend auf den Punkt. Steigende Zinsen, drohende Wertverluste und ein unflexibles Fondsmodell haben viele Privatanleger veranlasst, auszusteigen.
Für Fondsanbieter ist dies ein klarer Weckruf: Nur durch Innovation, mehr Transparenz und neue Strukturen lässt sich das Vertrauen zurückgewinnen. Immobilien bleiben ein zentraler Baustein langfristiger Vermögensbildung – doch die Investitionsvehikel müssen sich den neuen Marktbedingungen anpassen.