Ansturm auf Rechenzentrumsflächen trifft Netzengpässe: Stromzugang entscheidet über Standorte

by Markus Weber
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Im Jahr 2025 stößt die globale Rechenzentrumsbranche an eine harte Grenze. KI-Workloads treiben die Rack-Dichten in KI-Clustern auf 40–80+ kW (während die Branchendurchschnitte weiterhin bei etwa 12–17 kW liegen). Doch das Nadelöhr ist nicht mehr Land oder Glasfaser – es ist Strom. Von Europas Kern-Hubs bis zu Nordamerikas größten Netzen und neuen Märkten in Asien und dem Nahen Osten entscheidet nun die Verfügbarkeit von Megawatt und deren Liefertermin über die Standortwahl.

Strom wird zur Master-Variable

Die Nachfrage nach Kapazität steigt rasant. Die Internationale Energieagentur erwartet, dass sich der weltweite Stromverbrauch von Rechenzentren bis 2030 mehr als verdoppeln und fast 945 TWh erreichen wird. In der Zwischenzeit stoßen Entwickler auf Netz-Warteschlangen, die sich über Jahre erstrecken, und auf Geräteengpässe, die Projekte verzögern, selbst wenn Genehmigungen vorliegen. Große Leistungstransformatoren benötigen oft 2 bis 4 Jahre bis zur Lieferung, und Hochspannungs-Schaltanlagen oder Kabel haben ähnliche Vorlaufzeiten. Branchenanalysten stellen fest, dass Anbieter Schwierigkeiten haben, schnell genug Kapazität aufzubauen, um die KI-getriebene Nachfrage zu decken – jedes ernsthafte Projekt beginnt heute mit dem Netz.

Die Ökonomie des Rechnens

Die Baukosten sind stark gestiegen. In Europa liegen Shell-and-Core-Projekte inzwischen bei 7,5–10 Mio. € pro MW, während vollständig ausgebaute Colocation-Einrichtungen in angespannten Metropolregionen näher bei 12 Mio. € pro MW liegen. Die Betriebskosten sind ebenfalls hoch: Colocation-Mieten bewegen sich zwischen 180–260 €/kW pro Monat, London liegt bei 180–215 €, während Singapur häufig über 300 € liegt.
Stromverträge stehen im Zentrum des Modells. Langfristige erneuerbare PPA in Europa werden üblicherweise bei 50–60 €/MWh abgeschlossen, sodass Betreiber ihre Energiekosten über 10–15 Jahre absichern können. Doch diese Zahlen sind nur relevant, wenn der Netzanschluss realistisch ist und die Geräte gesichert sind.

Posten Referenz 2025 Bedeutung
Shell & Core (Europa) ≈7,5–10,0 Mio. €/MW Basis-Capex
Voll ausgebaute Colocation ≈12 Mio. €/MW Angespannte Metropolen
Grünstrom-PPA ≈50–60 €/MWh Fixiert Rechenkosten
Colocation-Miete ≈180–260 €/kW/Monat Opex-Referenz
Trafos & HV-Technik 24–48 Monate Kritischer Pfad

Europa: gesättigte Hubs, verschobene Perimeter

Frankfurt, London, Amsterdam, Paris und Dublin bleiben die Nachfragemagneten des Kontinents. Doch alle fünf stoßen an Netzgrenzen. In Großbritannien hat der Regulierer Ofgem die Warteschlange mit dem Prinzip First Ready, First Connected (FRFC) reformiert, das Projekte mit bereits vorliegenden Genehmigungen und Gerätebestellungen bevorzugt; die ersten Effekte werden für 2025–2026 erwartet.
In Dublin sind neue Anschlüsse bis 2028 ausgesetzt, um die Netzstabilität zu schützen, während einige Betreiber auf Wärmenutzung setzen, wie AWS in Tallaght, das überschüssige Wärme in ein Fernwärmesystem einspeist. Deutschlands Energieeffizienzgesetz bringt Wärmenutzungsverpflichtungen für neue Projekte, und die Niederlande erlauben Hyperscale-Campus nur in ausgewiesenen Zonen. Das Wachstum verschiebt sich auf Sekundärmärkte wie Mailand, Warschau und Berlin oder in periphere Gebiete nahe Übertragungsleitungen mit früheren Energiefenstern.

Nordics: Megawatt plus kommunaler Nutzen

Finnland, Schweden und Norwegen verbinden reichlich kohlenstoffarmen Strom mit robusten Netzbetreibern und kaltem Klima. Sie setzen auch Maßstäbe, wie politische Unterstützung gewonnen wird. Microsofts Partnerschaft mit Fortum in Finnland wird Abwärme neuer Campus in Fernwärmesysteme einspeisen, was die gesellschaftliche Akzeptanz stärkt und Genehmigungen beschleunigt. Wärmenutzung entwickelt sich de facto zu einem Genehmigungsbeschleuniger in der Region – Megawatt werden so von einer Belastung zu einer Ressource.

Nordamerika: Regeln für sehr große Lasten

In den USA hat PJM, das größte Netz, seinen Ansatz für große Lastzuwächse überarbeitet und fördert Flexibilität (Demand Response, Onsite-Speicher, Schnellstart-Erzeugung), damit große, dynamische Rechenzentren effizienter bewertet und eingeplant werden können. Entwickler reservieren inzwischen Jahre im Voraus Fabrik-Slots für Transformatoren; manche Betreiber lagern sogar Ersatzteile ein – vor einem Jahrzehnt undenkbar.
Das Kernproblem ist die Netzstabilität. KI-Rechenzentren können den Verbrauch in Sekunden verzehnfachen. Energieversorger verlangen, dass künftige Campus mit Batterien, Schnellstart-Erzeugung oder Demand-Response-Strategien ausgestattet sind.

Asien-Pazifik: gemanagte Megawatt

Singapur hat sein Moratorium beendet, aber die Kontrolle beibehalten. 2024 startete die Regierung den Green Data Centre Roadmap, mit mindestens 300 MW neuer Kapazität und rund 200 MW zusätzlichen Projekten, die strengen Regeln für Grünstrom und Effizienz entsprechen. Mit Colocation-Preisen von über 300 €/kW pro Monat bleibt die Stadt einer der teuersten Märkte weltweit.
Andernorts nutzen Australien und Japan ihre Kabelnetze und erneuerbare Energien zur Konkurrenz, während Vietnam und Malaysia sich als kostengünstige KI-Trainingshubs positionieren, wo Latenz weniger zählt als günstige, saubere Megawatt.

Naher Osten und Afrika: Strom als Differenzierungsfaktor

Neue Projekte in Saudi-Arabien, Marokko und Kenia werden direkt um Energieüberfluss herum aufgebaut. In Saudi-Arabien haben NEOM und DataVolt einen 5-Mrd.-$-KI-Campus angekündigt, der bis 2028 1,5 GW erneuerbare Kapazität erreichen soll, mit einer ersten Phase von 300 MW.
In Marokko bestätigte die Regierung Pläne für einen 500-MW-Rechenzentrums-Cluster in Dakhla, fokussiert auf souveräne Cloud-Nachfrage und unterstützt durch Solar- und Windkraft.
In Kenia haben Microsoft und G42 ein 1-Mrd.-$-Programm vorgestellt, das ein Cloud-Rechenzentrum umfasst, betrieben mit Geothermie aus Olkaria. Überall gilt: Entfernung lässt sich durch Glasfaser überbrücken – Megawatt nicht.

Checkliste für Investoren

  1. Energiedatum: nachweisbare Zeitpläne der Netzbetreiber sind wichtiger als jedes Grundstücksangebot.
  2. Stromkosten: PPA bei 50–60 €/MWh definieren die langfristige Rechenökonomie.
  3. Lastverhalten: Wärmenutzung, Onsite-Speicher und Betriebsflexibilität verkürzen Genehmigungen und stärken die soziale Akzeptanz.

Fazit: Zeit bis zum Megawatt

Die globale Rechenzentrumsjagd ist nicht mehr die Suche nach Land nahe Städten oder Glasfasertrassen – es ist die Suche nach Strom. Von Europas FLAP-D-Hubs bis zu Nordamerikas Interconnection-Reformen, von Singapurs gesteuerten Zuteilungen bis zu Saudi-Arabiens Megaprojekten: die entscheidende Metrik ist nun die Zeit bis zum Megawatt.
Die Benchmarks sind gesetzt: 8–12 Mio. €/MW Baukosten je nach Spezifikation, 50–60 €/MWh für sauberen Strom und mehrjährige Wartezeiten für schwere Ausrüstung. Im KI-Zeitalter steht alles andere – Land, Glasfaser, sogar Latenz – an zweiter Stelle. Das Rennen gilt nicht mehr den Grundstücken, sondern den Megawatt.

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