Der europäische Gewerbeimmobilienmarkt tritt in eine seiner schwierigsten Phasen seit mehr als einem Jahrzehnt ein, da sich die Investitionsströme deutlich in Richtung hochwertiger, energieeffizienter Vermögenswerte verlagern und sich von veralteten, nicht zum Kerngeschäft gehörenden Objekten entfernen. Laut MSCI sanken die Transaktionsvolumina im zweiten Quartal 2025 auf rund 46,2 Milliarden Euro, etwa 10 % weniger als im Vorjahr. Im ersten Halbjahr beliefen sich die Gesamtinvestitionen auf 91,7 Milliarden Euro, ein Rückgang von 7 % im Vergleich zum gleichen Zeitraum 2024 – ein deutliches Zeichen für die zunehmende Vorsicht der Investoren angesichts wirtschaftlicher Unsicherheiten.
Obwohl die Europäische Zentralbank ihren Einlagensatz auf 2 % gesenkt hat, liegen die Finanzierungskosten weiterhin deutlich über dem Niveau vor der Pandemie. Fremdkapital bleibt teuer, insbesondere für Value-Add-Strategien und Objekte, die umfangreiche Investitionen benötigen, um ESG-Standards zu erfüllen. Infolgedessen konzentriert sich die Liquidität auf das sicherste Marktsegment, wobei das meiste Kapital in erstklassige, einkommensstabile Vermögenswerte fließt.
Warum Büroinvestitionen unter Druck stehen, während Leerstände steigen
Der Bürosektor bleibt der schwächste Teilmarkt. In Deutschland sanken die Transaktionsvolumina im zweiten Quartal auf nur 765 Millionen Euro, was zu einem Halbjahreswert von 2,1 Milliarden Euro führte – ein Rückgang um 23 % gegenüber dem Vorjahr. Trotz eines Anstiegs der Spitzenmieten um 11–12 % in Frankfurt und München sind die Leerstandsquoten in den „Big Seven“-Märkten auf 7,7 % gestiegen, was 7,6 Millionen m² ungenutzter Fläche bedeutet.
Die Spitzenrenditen für Büroimmobilien in Europas führenden Städten liegen derzeit bei rund 5 %, wobei Kernobjekte in zentralen deutschen Märkten laut CBRE etwa 5,1 % erreichen. Sekundärimmobilien hingegen stehen vor weitaus schwierigeren Marktbedingungen, werden häufig mit hohen Abschlägen gehandelt oder finden kaum Käufer. Viele ältere Bürogebäude erfordern kostspielige Nachhaltigkeitsinvestitionen, um wettbewerbsfähig zu bleiben – ein Risiko, das die meisten Investoren unter den aktuellen Finanzierungsbedingungen nicht eingehen wollen.
Die Kluft zwischen hochwertigen und sekundären Objekten vergrößert sich. Zentral gelegene, hochwertige Büros ziehen weiterhin institutionelles Kapital an, während veraltete Gebäude in Randlagen selbst bei hohen Preisnachlässen schwer verkäuflich sind.
Wie der Einzelhandelssektor nach einem starken Jahresstart an Dynamik verlor
Der Einzelhandelssektor startete 2025 stark, mit einem Anstieg der Investitionsvolumina um 26 % im ersten Quartal auf rund 8,4 Milliarden Euro, unterstützt durch mehrere große Transaktionen in Spanien und Portugal. Im zweiten Quartal ließ die Dynamik jedoch nach, da steigende Finanzierungskosten und sich änderndes Konsumverhalten das Vertrauen schwächten.
In Deutschland sanken die Einzelhandelsinvestitionen im ersten Halbjahr um 19 % auf 2,9 Milliarden Euro, was etwa 20 % der gesamten Gewerbeimmobilieninvestitionen ausmacht. Die Spitzenrenditen liegen derzeit bei 3,5 % für Innenstadtlagen, 4,6 % für Fachmarktzentren und 5,9 % für dominante Einkaufszentren. Ältere Einkaufszentren mit schwächerer Mieterstruktur bleiben illiquide und stehen oft monatelang ohne ernsthafte Angebote auf dem Markt.
Dennoch verdeutlichen mehrere bedeutende Deals die anhaltende Nachfrage nach hochwertigen Einzelhandelsimmobilien. Castellana Properties erwarb das Bonaire-Einkaufszentrum in Valencia für 305 Millionen Euro mit einer Rendite von rund 7 %, während das Jervis Shopping Center in Dublin Angebote von etwa 110 Millionen Euro erhielt – leicht unter dem Richtpreis, was zeigt, dass Käufer sehr preissensibel bleiben.
Was länderspezifische Trends über Europas fragmentierten Markt aussagen
- Vereinigtes Königreich: Die Investitionsvolumina im zweiten Quartal fielen um 11 % auf 13,9 Milliarden Euro. London bleibt relativ widerstandsfähig, während regionale Märkte weiter schwächeln.
- Deutschland: Die Gesamtvolumina im ersten Halbjahr erreichten 14,2 Milliarden Euro (-2 % gegenüber dem Vorjahr), wobei Büroinvestitionen um 23 % und Einzelhandelsinvestitionen um 19 % zurückgingen.
- Frankreich: Transaktionen konzentrieren sich auf erstklassige CBD-Objekte mit langfristigen Mietverträgen, während sekundäre Vermögenswerte nur begrenztes Interesse wecken.
- Spanien und Portugal: Große Einkaufszentren-Deals, darunter Bonaire (305 Millionen Euro) und der laufende Teilverkauf einer Beteiligung an Xanadú, stützten die Volumina, doch die Selektivität bleibt hoch.
Hauptfaktoren hinter der Verlangsamung der Gewerbeimmobilieninvestitionen in Europa
Mehrere strukturelle Faktoren prägen die aktuelle Marktentwicklung:
- Teure Finanzierung: Selbst nach den Zinssenkungen der EZB bleibt die Kreditaufnahme teuer, insbesondere für Objekte mit Sanierungs- oder Repositionierungsbedarf.
- Konkurrenz durch Privatkredite: Im ersten Halbjahr 2025 sammelten private Schuldenfonds in Europa fast 40 Milliarden US-Dollar ein – fast doppelt so viel wie traditionelle Immobilienfonds.
- Politische Unsicherheit: Handelskonflikte, regulatorische Veränderungen und geopolitische Instabilität verzögern Investitionsentscheidungen.
Spitzenrenditen, Preisentwicklung und ihre Bedeutung für Investoren
- Prime-Büros: Renditen bleiben bei etwa 5 %, während Sekundärimmobilien mit deutlichen Abschlägen gehandelt werden.
- Core-Einzelhandel: Dominante Einkaufszentren mit starkem Besucheraufkommen erzielen Renditen von 6–7 % oder mehr, während schwächere Zentren praktisch unverkäuflich sind.
- Notverkäufe: Insolvenzbetriebene Transaktionen nehmen zu, da der Refinanzierungsdruck steigt.
Worauf sich Immobilieninvestoren 2025 konzentrieren sollten
Der starke Rückgang der Büro- und Einzelhandelsaktivitäten in Europa ist mehr als nur ein zyklischer Abschwung – er signalisiert eine tiefgreifende strukturelle Neuausrichtung der Investitionsprioritäten. Kapital konzentriert sich zunehmend auf hochwertige, ESG-konforme Vermögenswerte mit stabilen Erträgen, während veraltete Objekte mit hohen Abschlägen, Refinanzierungsschwierigkeiten und sogar dem Risiko der Obsoleszenz konfrontiert sind.
Analysten erwarten, dass der Rest des Jahres 2025 von Einzelobjekttransaktionen und mittelgroßen Deals (20–50 Millionen Euro) dominiert wird, während großvolumige Portfoliotransaktionen selten bleiben. Der europäische Immobilienmarkt wird nicht mehr durch das Transaktionsvolumen definiert, sondern durch Selektivität, Resilienz und Polarisierung – Trends, die die nächste Phase des Investitionszyklus prägen werden.