Die Europäische Union muss jährlich rund 40 Milliarden Euro investieren, um Wohngebäude mit der Energieeffizienzklasse C gemäß dem Energieausweis (EPC – Energy Performance Certificate) zu sanieren. Diese Maßnahme ist entscheidend, um die Klimaziele der EU zu erreichen, den CO₂-Ausstoß zu senken und die Energieeffizienz im Gebäudebestand nachhaltig zu verbessern. Das geht aus aktuellen Studien von Nachhaltigkeitsinstituten hervor, die betonen: Ohne eine umfassende energetische Sanierung des europäischen Wohnungsbestands wird der europäische Grüne Deal kaum umzusetzen sein.
Der Sanierungsbedarf im Überblick
Mehr als 40 % aller Wohngebäude in der EU fallen aktuell in die Effizienzklasse C oder schlechter. Diese Klassifizierung deutet darauf hin, dass diese Gebäude erheblich mehr Energie verbrauchen als Neubauten mit den Klassen A oder B.
Gebäude in der EU verursachen etwa 36 % der Treibhausgasemissionen und verbrauchen rund 40 % der gesamten Energie. Der Großteil der C-klassifizierten Gebäude stammt aus der Zeit vor den 1990er-Jahren und weist häufig schlechte Wärmedämmung, veraltete Heizungsanlagen und ineffiziente Energienutzung auf.
EU-Klimaziele im Gebäudesektor
Die EU-Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EPBD) verpflichtet die Mitgliedstaaten, ihren Gebäudebestand energetisch deutlich zu verbessern. Ziel ist es, dass ab 2030 alle Neubauten emissionsfrei sind und bis 2050 der überwiegende Teil des Bestandsgebäudes auf nahezu klimaneutralen Standard gebracht wird (nZEB – Nearly Zero Energy Building).
Dafür sind umfangreiche Investitionen notwendig – insbesondere in Wärmedämmung, neue Fenster, Solaranlagen, Wärmepumpen sowie intelligente Energiemanagementsysteme.
Finanzierungsbedarf und Investitionsumfang
Laut einem Bericht der Europäischen Investitionsbank (EIB) belaufen sich die Investitionskosten allein für die energetische Verbesserung von C- auf B-Klasse auf mindestens 40 Milliarden Euro jährlich – und das über einen Zeitraum von 15 bis 20 Jahren. Die Gesamtkosten für die energetische Sanierung des EU-Wohnungsbestands könnten sich auf bis zu 800 Milliarden Euro summieren.
Diese Mittel müssen aus einem Mix aus privaten, nationalen und europäischen Quellen stammen. Programme wie REPowerEU und NextGenerationEU stellen bereits Milliardenbeträge zur Verfügung, reichen aber nicht aus, um den gesamten Bedarf zu decken.
Wer soll das bezahlen?
Die Finanzierung stellt eine der größten Herausforderungen dar. Derzeit tragen Immobilieneigentümer einen Großteil der Kosten – viele verfügen jedoch weder über die finanziellen Mittel noch über das Wissen oder die Motivation für umfassende Sanierungen. Zwar gibt es in einigen Ländern Förderprogramme und Steueranreize, doch deren Reichweite ist oft begrenzt.
Die Europäische Kommission prüft daher mehrere Maßnahmen:
- Einrichtung eines EU-weiten Fonds für energetische Sanierungen;
- Garantieprogramme über die EIB zur Mobilisierung privater Investitionen;
- Förderung grüner Hypotheken mit vergünstigten Zinssätzen;
- Berücksichtigung der Energieeffizienz bei Kreditwürdigkeitsprüfungen.
Zudem wird diskutiert, energetische Mindeststandards bei Immobilienverkäufen oder Neuvermietungen verpflichtend vorzuschreiben, um Eigentümer zum Handeln zu bewegen.
Vorteile energetischer Sanierung
Trotz hoher Anfangskosten bringt die energetische Sanierung zahlreiche langfristige Vorteile:
- Niedrigere Energiekosten: Einsparungen bei Heiz- und Stromkosten von bis zu 60 % sind möglich.
- Wertsteigerung der Immobilie: Energieeffiziente Gebäude verkaufen sich schneller und zu höheren Preisen.
- Mehr Wohnkomfort: Konstantere Raumtemperaturen, bessere Luftqualität und geringerer Geräuschpegel.
- Klimaschutz: Sanierungen leisten einen wesentlichen Beitrag zur CO₂-Reduktion.
Studien zufolge bringt jeder investierte Euro bis zu drei Euro an langfristigen Einsparungen und verhindert Kosten durch Klimafolgeschäden.
Hürden und Herausforderungen
Der Weg zu einer umfassenden Sanierung ist jedoch mit zahlreichen Hindernissen verbunden:
- Informationsdefizite: Viele Eigentümer kennen Förderprogramme nicht oder wissen nicht, wie sie diese beantragen.
- Bürokratische Hürden: Genehmigungs- und Antragsverfahren sind oft langwierig und komplex.
- Fachkräftemangel: Es fehlt an qualifiziertem Personal im Bau- und Energiebereich.
- Materialengpässe und Preissteigerungen: Die gestiegenen Kosten für Baumaterialien erschweren die Planung und Umsetzung.
Zusätzlich besteht die Gefahr, dass sozial schwächere Haushalte durch gesetzliche Anforderungen unter Druck geraten – etwa wenn sie ihre Häuser nicht mehr verkaufen oder vermieten können, ohne zu sanieren.
Erfolgreiche Beispiele in Europa
Einige EU-Mitgliedstaaten zeigen bereits, wie es gehen kann:
- Frankreich: Das Programm MaPrimeRénov’ unterstützt Sanierungen mit bis zu 20.000 Euro pro Haushalt.
- Deutschland: Die KfW-Bankengruppe bietet zinsgünstige Kredite und Zuschüsse für energieeffizientes Bauen und Sanieren.
- Niederlande: Förderungen für Wärmepumpen und Solartechnik von bis zu 30 % der Investitionskosten.
- Italien: Der „Superbonus 110 %“ erlaubte eine vollständige steuerliche Rückerstattung der Sanierungskosten (bis zur Kürzung 2024).
Diese Programme zeigen, dass gezielte staatliche Förderung den Wandel beschleunigen kann.
Wirtschaftliche und gesellschaftliche Auswirkungen
Die energetische Sanierung könnte Tausende neue Arbeitsplätze schaffen – vor allem im Baugewerbe, bei erneuerbaren Energien und in der Gebäudetechnik. Laut Schätzungen der EU könnten bis 2030 über 160.000 neue Jobs entstehen, wenn die Renovierungswelle richtig umgesetzt wird.
Auch Banken entdecken Sanierungskredite zunehmend als attraktives Geschäftsfeld. Grüne Darlehen, Sanierungs-Hypotheken und performance-basierte Finanzierungsmodelle gewinnen an Bedeutung.
Fazit
Die EU steht vor einer entscheidenden Herausforderung, wenn sie ihre Klimaziele erreichen und ihren Gebäudebestand zukunftssicher machen will. Allein die Sanierung von Wohngebäuden mit EPC-Klasse C erfordert jährliche Investitionen von rund 40 Milliarden Euro – eine Summe, die hoch erscheint, sich aber langfristig durch Einsparungen und Mehrwerte auszahlt.
Mit kluger Politik, gezielten Fördermaßnahmen und enger Zusammenarbeit zwischen öffentlichem und privatem Sektor kann Europa diese Herausforderung meistern und den Gebäudesektor in ein Vorzeigeprojekt für Klimaschutz und soziale Verantwortung verwandeln. Der Zeitpunkt zu handeln ist jetzt – jede verzögerte Sanierung erschwert den Weg in eine klimafreundliche Zukunft.