In den letzten Jahren rückt das Konzept der Erbbaurechte (im Englischen „land lease“) zunehmend in den Fokus der Immobilienbranche. Dabei handelt es sich um ein Modell, bei dem Investoren oder Eigentümer ein Gebäude kaufen, jedoch nicht Eigentümer des Grundstücks sind – dieses bleibt im Besitz einer dritten Partei und wird langfristig verpachtet, meist für 30 bis 99 Jahre. Was früher als Nischenmodell galt, entwickelt sich 2024–2025 zu einem ernstzunehmenden Investitionstrend. In diesem Beitrag beleuchten wir, warum Erbbaurechte an Attraktivität gewinnen, welche Chancen und Risiken sie bergen und was Investoren beachten sollten.
Was bedeutet Erbbaurecht?
Beim Erbbaurecht erwerben Käufer nicht das Grundstück selbst, sondern lediglich das Recht, auf dem Grundstück ein Gebäude zu besitzen und zu nutzen. Der Erbbaurechtsvertrag regelt die Bedingungen und läuft in der Regel über Jahrzehnte – häufig 66 oder 99 Jahre – und kann unter bestimmten Voraussetzungen verlängert werden. Der Erbbauzins (Pacht) wird dabei meist jährlich gezahlt.
Dieses Modell ist insbesondere in Deutschland, den Niederlanden, Großbritannien, den USA und Australien verbreitet. In vielen Regionen Europas wird es zunehmend als Lösung für steigende Bodenpreise und Wohnungsknappheit genutzt.
Warum Erbbaurechte an Bedeutung gewinnen
1. Niedrigere Einstiegskosten
Ein wesentlicher Vorteil des Erbbaurechts liegt in den deutlich geringeren Anschaffungskosten. Da das Grundstück nicht mitgekauft wird, reduzieren sich die Gesamtkosten erheblich – ein attraktives Argument für junge Familien, Erstkäufer oder Investoren mit begrenztem Budget.
In Städten wie Berlin, Hamburg oder München ist der Unterschied besonders spürbar: Ein Objekt auf einem Erbpachtgrundstück kann bis zu 30 % günstiger sein als ein vergleichbares Eigentumsobjekt mit Grundstück.
2. Knappes Bauland und hohe Grundstückspreise
In vielen Großstädten wird Bauland knapp. Kommunen behalten deshalb Grundstücke im eigenen Besitz und verpachten sie im Rahmen des Erbbaurechts. Das ermöglicht langfristige Stadtplanung, soziale Durchmischung und verhindert Spekulation.
Amsterdam, Frankfurt oder Wien setzen bereits gezielt auf Erbbaurechte, um Wohnraum zu schaffen und gleichzeitig Einfluss auf die Nutzung der Flächen zu behalten.
3. Planungssicherheit und klare Rahmenbedingungen
Moderne Erbbaurechtsverträge enthalten transparente Regelungen zu Laufzeit, Verlängerung, Erbbauzins und Nutzung. Für Investoren bedeutet das mehr Kalkulationssicherheit und langfristige Planbarkeit.
Zudem sind Erbbaurechte in vielen Fällen steuerlich begünstigt: Die Grundsteuer fällt häufig niedriger aus, und der Bodenwert muss nicht finanziert werden, was die Kapitalrendite verbessert.
Wo das Modell bereits etabliert ist
Deutschland: Vor allem in städtischen Gebieten, wo Kommunen Grundstücke behalten und über das Erbbaurecht bezahlbaren Wohnraum fördern wollen.
Großbritannien: In London sind viele Grundstücke im Besitz der Krone oder großer privater Eigentümer. Die Gebäude werden auf Basis von Leasehold-Modellen genutzt.
USA: In Kalifornien, Florida oder auf Hawaii werden sowohl Wohn- als auch Gewerbeimmobilien auf gepachteten Grundstücken errichtet – darunter Einkaufszentren wie Ala Moana in Honolulu.
China: Grundstücke sind staatliches Eigentum, und alle Immobilien werden auf Zeit über Nutzungsrechte vergeben – faktisch eine Form des Erbbaurechts.
Vorteile für Investoren
- Geringerer Kapitalbedarf beim Kauf
- Höhere Rendite durch geringere Einstiegskosten
- Diversifizierung von Portfolios – insbesondere in Märkten mit restriktivem Bodenrecht
- Geringere Exponierung gegenüber schwankenden Bodenwerten
- Gute Planbarkeit durch langfristige Verträge
Mögliche Risiken und Herausforderungen
Trotz vieler Vorteile gibt es auch Risiken:
- Ende des Erbbaurechts: Nach Ablauf der Laufzeit kann das Gebäude an den Grundstückseigentümer zurückfallen – oft ohne volle Entschädigung.
- Erbbauzinsanpassungen: Je nach Vertrag kann der Erbbauzins regelmäßig steigen – oft gekoppelt an Preisindizes.
- Eingeschränkte Verfügbarkeit von Baufinanzierungen: Banken finanzieren Erbbaurechte oft nur bei ausreichend langer Restlaufzeit (meist mindestens 60 Jahre).
- Genehmigungspflicht für bauliche Veränderungen oder Verkauf: Der Grundstückseigentümer hat häufig ein Mitspracherecht.
Markttrends und institutionelles Interesse
Laut aktuellen Studien von Savills und Knight Frank ist das Interesse an Erbbaurechtsmodellen europaweit um rund 18 % gestiegen. In Südostasien liegt das Wachstum sogar bei über 25 %. Gleichzeitig steigen institutionelle Investoren – etwa Immobilienfonds und REITs – verstärkt in diesen Markt ein, insbesondere im Bereich bezahlbarer Wohnbau und Einzelhandelsflächen.
In Amsterdam etwa erfolgen laut Stadtentwicklungsplan über 60 % aller Neubauprojekte auf städtischen Erbbaugrundstücken.
Zukunftsperspektiven: nachhaltige Stadtentwicklung und flexible Investitionen
Angesichts steigender Bodenpreise, wachsender Urbanisierung und sozialpolitischer Ziele gewinnt das Erbbaurecht weiter an Relevanz. Es verbindet Investoreninteressen mit stadtplanerischer Kontrolle, öffnet neue Märkte und fördert nachhaltige Entwicklung.
Auch für den sozialen Wohnungsbau und öffentlich-private Partnerschaften wird das Modell verstärkt eingesetzt – zum Beispiel für gemischte Quartiere mit Wohnen, Gewerbe und Kultur.
Fazit: Erbbaurechte als strategische Investmentoption
Erbbaurechte sind längst keine Ausnahmeerscheinung mehr, sondern ein durchdachtes Instrument für Investoren, die auf Zukunftsmärkte setzen. Sie bieten niedrigere Einstiegshürden, stabile Erträge und die Chance, auch in begehrten Lagen aktiv zu werden – ohne das Grundstück erwerben zu müssen.
Mit einer fundierten Vertragsprüfung und einem langfristigen Planungshorizont können Erbbaurechte ein wichtiger Baustein in jedem Immobilienportfolio sein.