Im Zuge der digitalen Transformation erlebt der europäische Immobilienmarkt einen grundlegenden Wandel. Während in den letzten Jahren vor allem Investitionen in Biolaboratorien und Forschungsparks dominierten, richtet sich der Blick institutioneller Investoren nun zunehmend auf Rechenzentren – die technische Grundlage der datengetriebenen Wirtschaft.
Dieser Strategiewechsel spiegelt nicht nur das rasante Wachstum im Bereich Cloud-Computing und künstlicher Intelligenz wider, sondern auch den Wunsch nach langfristigen, stabilen Renditen in einem Sektor mit hoher Kapitalkraft.
Die digitale Infrastruktur als Rückgrat der Wirtschaft
In den vergangenen drei Jahren hat Europa einen beispiellosen Anstieg im Datenvolumen verzeichnet. Der Ausbau von Cloud-Diensten, Homeoffice, die Entwicklung von KI-Anwendungen, das Internet der Dinge (IoT) und die Einführung von 5G haben den Bedarf an leistungsfähiger digitaler Infrastruktur massiv erhöht.
Rechenzentren – als Knotenpunkte für Speicherung, Verwaltung und Verarbeitung von Daten – gelten zunehmend als essenzielle Infrastruktur. Laut CBRE stieg die Gesamtkapazität der Rechenzentren in den führenden europäischen Märkten (FLAP-D: Frankfurt, London, Amsterdam, Paris, Dublin) im Jahr 2024 um 22 %. Ein weiteres Wachstum wird bis mindestens 2027 prognostiziert.
Investoren verlagern sich: von Laboren zu Servern
Lange Zeit galt der Immobiliensektor für Life Sciences – Laborgebäude, Forschungszentren und Wissenschaftsparks – als bevorzugtes Anlageziel. Doch hohe Eintrittsbarrieren, komplexe Genehmigungsprozesse und begrenzte Liquidität lassen diesen Bereich im aktuellen Zinsumfeld weniger attraktiv erscheinen.
Im Gegensatz dazu bieten Rechenzentren stabile Mieterträge, konstante Nachfrage durch Hyperscaler wie AWS, Microsoft Azure oder Google Cloud und transparente Geschäftsmodelle. Deshalb lenken Pensionsfonds, REITs und Infrastruktur-Investoren zunehmend Kapital in diesen wachstumsstarken Sektor.
Zu den wichtigsten Transaktionen im Jahr 2024 zählen etwa das Joint Venture von AXA IM Alts für ein Rechenzentrum in Lyon oder Blackstones Beteiligung an einer 100-MW-Anlage in den Niederlanden.
Neue geografische Schwerpunkte
Während London, Frankfurt, Amsterdam und Paris als etablierte Standorte dominieren, entwickeln sich zunehmend auch Städte wie Warschau, Madrid, Mailand, Kopenhagen, Oslo und Wien zu gefragten Rechenzentrumsstandorten. Gründe dafür sind geringere Grundstückskosten, staatliche Anreize, Zugang zu erneuerbarer Energie und kürzere Planungszeiten.
Insbesondere Osteuropa gewinnt an Bedeutung: Digital Realty und Equinix kündigten 2025 neue Großprojekte in Polen und Spanien an. Gleichzeitig fördert die EU mit Programmen wie Digital Europe den Aufbau digitaler Souveränität auf regionaler Ebene.
Anforderungen an Technik und Nachhaltigkeit
Moderne Rechenzentren stellen hohe technische und ökologische Anforderungen. Zu den Standards zählen:
- Modularer Aufbau, um flexibel auf steigende Anforderungen reagieren zu können
- Redundante Strom- und Kühlsysteme (z. B. N+1 oder 2N-Design)
- Zertifizierte Sicherheits- und Schutzmaßnahmen (Tier III oder Tier IV)
- Nachhaltigkeitszertifikate wie BREEAM oder LEED, die zunehmend von institutionellen Mietern verlangt werden
Energieeffizienz ist dabei ein zentrales Thema: Betreiber investieren in Photovoltaik, Batteriespeicher, Abwärmenutzung und beziehen vermehrt Ökostrom aus Wind- und Solarparks.
Renditen und Investitionskosten
Laut Savills liegen die Nettoanfangsrenditen (Net Initial Yields) für Rechenzentren in Toplagen Europas zwischen 4,25 % und 5,5 % – vergleichbar mit hochwertigen Büro- oder Logistikimmobilien. Langfristige Mietverträge (10–15 Jahre), hohe Baukosten und geringe Ersatzbarkeit machen Rechenzentren für langfristig orientierte Anleger besonders attraktiv.
Der Bau eines Rechenzentrums mit 10–20 MW Leistung kostet in Europa zwischen 80 und 150 Millionen Euro, je nach Lage, Netzanschluss und regulatorischen Anforderungen. Dank steigender Mietpreise von bis zu 300–400 €/kW pro Jahr amortisieren sich Investitionen jedoch zügig.
Herausforderungen durch Regulierung und Infrastruktur
Trotz des Booms steht die Branche vor zahlreichen Herausforderungen:
- Engpässe im Stromnetz, vor allem in Ballungszentren wie London und Amsterdam
- Langwierige Genehmigungsverfahren durch verschärfte Umweltauflagen
- Mangel an geeigneten Grundstücken mit direktem Zugang zu Strom- und Glasfasernetzen
- Widerstand in der Bevölkerung gegen neue Industrieanlagen in Wohngebieten
In mehreren EU-Ländern gibt es Diskussionen über spezielle Steuern auf stromintensive Rechenzentren oder die Einführung von Energieverbrauchsgrenzen.
Integration in den urbanen Raum
Innovative Projektentwickler setzen auf bessere Integration von Rechenzentren in städtische Strukturen, unter anderem durch:
- Hybride Nutzungen mit Büro-, Handels- oder Coworking-Flächen (z. B. in Wien oder Barcelona)
- Architektonisch angepasste Fassaden, Lärmschutz und Begrünung
- Einspeisung der Abwärme in lokale Fernwärmenetze
So werden Rechenzentren zu einem aktiven Teil nachhaltiger Smart Cities und verlieren ihr rein technisches Image.
Fazit
Die Verschiebung des Investitionsfokus von Laboren hin zu Rechenzentren markiert eine tiefgreifende Umstellung des europäischen Immobilienmarkts. In einer zunehmend datengetriebenen Welt gelten digitale Infrastrukturen als Rückgrat der Zukunft.
Wer frühzeitig in diesen Sektor investiert, sichert sich nicht nur attraktive Renditen, sondern auch strategische Relevanz in der digitalen Transformation Europas. Der Bedarf an leistungsstarken, nachhaltigen Rechenzentren wird mit der Entwicklung von KI, Cloud-Lösungen, Cybersecurity und Industrie 4.0 weiter wachsen.
Rechenzentren sind nicht länger eine Nische – sie sind zu einem Schlüsselbaustein europäischer Infrastruktur geworden.