Warum Norwegens Staatsfonds direkte Investitionen in Rechenzentren meidet

by Ryder Vane
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Norway’s Sovereign Wealth Fund Avoids Direct Data Centre Investments

Der norwegische Government Pension Fund Global, der größte Staatsfonds der Welt, zieht bei einem der am schnellsten wachsenden Segmente der Sachwerte eine klare Grenze: Rechenzentren. Der von Norges Bank Investment Management (NBIM) verwaltete Fonds hat erklärt, dass er derzeit keine aktiven Pläne für direkte Investitionen in Rechenzentrumsanlagen verfolgt. Als Gründe nennt er die Volatilität des Sektors sowie Risikofaktoren, zu denen auch Nachhaltigkeitsaspekte zählen.

Die Entscheidung fällt in eine Phase, in der Rechenzentren an der Schnittstelle von künstlicher Intelligenz, Energieknappheit und steigenden Kapitalkosten stehen. Während die Nachfrage nach Rechenleistung in Europa und Nordamerika weiter rasant wächst, ist das Risikoprofil des Sektors deutlich komplexer geworden.

Ein Fonds von 1,7 Billionen Euro mit konservativem Mandat

Offiziell weist der Fonds seine Zahlen in norwegischen Kronen aus, was seiner inländischen Rechnungslegung entspricht. Ende 2024 und zu Beginn des Jahres 2025 überschritten die Vermögenswerte des Government Pension Fund Global die Marke von 20 Billionen norwegischen Kronen (≈1,7 Billionen Euro) und unterstrichen damit seine Rolle als dominanter globaler Investor in Aktien, Anleihen und Sachwerte.

Innerhalb dieses Universums bleibt Immobilienvermögen ein vergleichsweise kleiner, aber strategisch wichtiger Bestandteil. Die Engagements von NBIM verteilen sich auf börsennotierte und nicht börsennotierte Immobilien, mit einem langfristigen Fokus auf ertragsstarke Bestandsobjekte statt auf opportunistische Entwicklungsrisiken.

Zum 30. Juni 2025 wurde das nicht börsennotierte Immobilienportfolio des Fonds mit rund 365,2 Milliarden norwegischen Kronen (≈31 Milliarden Euro) bewertet, während die börsennotierten Immobilienbeteiligungen etwa 332 Milliarden norwegische Kronen (≈28 Milliarden Euro) erreichten. Diese Zahlen verdeutlichen, wie selektiv NBIM bereits bei direkten Investitionen in physische Vermögenswerte vorgeht.

Was NBIM tatsächlich zu Rechenzentren gesagt hat

NBIM hat seine Aussagen bewusst präzise formuliert. Der Fonds zieht sich nicht vollständig aus dem Thema Rechenzentren zurück und reduziert auch nicht seine indirekten Engagements über börsennotierte Unternehmen. Vielmehr stellt er klar, dass der direkte Besitz von Rechenzentrumsanlagen derzeit nicht in sein Risikorahmenwerk passt.

Alexander Knapp, Leiter Immobilien bei NBIM, erklärte, der Fonds gehe bei volatilen Sektoren äußerst vorsichtig vor und habe aktuell keine konkreten Pläne für direkte Rechenzentrumsinvestitionen im Rahmen seiner bestehenden Strategie. Das Problem sei nicht die Nachfrage nach Rechenleistung, sondern deren Planbarkeit.

Für einen Fonds, dessen Aufgabe es ist, nationales Vermögen über Generationen hinweg zu sichern, geht Volatilität weit über kurzfristige Preisschwankungen hinaus. Sie umfasst Unsicherheiten bei Betriebskosten, regulatorischen Rahmenbedingungen, technologischen Veränderungen und Finanzierungsstrukturen.

Warum Volatilität im Rechenzentrumsboom entscheidend ist

Auf den ersten Blick scheinen Rechenzentren dem klassischen institutionellen Investitionsmodell zu entsprechen: lange Mietverträge, erstklassige Mieter und kritische Infrastruktur. Doch der aktuelle Expansionszyklus unterscheidet sich deutlich von früheren Phasen.

Moderne Anlagen erfordern außergewöhnlich hohe Anfangsinvestitionen, insbesondere für Energieinfrastruktur, Kühlsysteme und Netzanschlüsse. Viele Projekte sind stark fremdfinanziert, was das Abwärtsrisiko erheblich erhöhen kann, falls Annahmen zu Auslastung, Energiepreisen oder Refinanzierungsbedingungen nicht eintreten.

Aus Sicht von NBIM passt dieses asymmetrische Risikoprofil nur schwer zu einem Mandat, das auf Transparenz, Liquidität und langfristige Stabilität ausgerichtet ist.

Energie und Nachhaltigkeit als finanzielle Risikofaktoren

Nachhaltigkeit ist bei NBIM kein Randthema, sondern fester Bestandteil des Investitionsprozesses. Bei Rechenzentren ist sie zu einer zentralen finanziellen Variable geworden.

Energieverfügbarkeit und Strompreise unterscheiden sich stark je nach Region, während langfristige Stromlieferverträge immer schwieriger zu planbaren Konditionen abzuschließen sind. Gleichzeitig geraten Rechenzentren zunehmend unter regulatorischen und gesellschaftlichen Druck, insbesondere wegen ihres hohen Stromverbrauchs, Wasserbedarfs und ihrer CO₂-Intensität.

Für einen Fonds, der Klimarisiken systematisch in den Portfolioaufbau integriert, stellen Anlagen, die von unsicheren zukünftigen Energielösungen abhängen, eine zusätzliche Komplexität dar. Schon geringe Änderungen in Regulierung oder Netzpolitik können die langfristigen Cashflows erheblich beeinflussen.

Immobilienperformance verstärkt die Vorsicht

Die Zurückhaltung von NBIM spiegelt auch die jüngste Performance wider. In der ersten Hälfte des Jahres 2025 erzielte das gesamte Immobilienportfolio des Fonds eine Rendite von rund 1,8 Prozent. Nicht börsennotierte Immobilien entwickelten sich stärker, während börsennotierte Immobilieninvestments im gleichen Zeitraum negative Renditen aufwiesen.

Diese Divergenz hat die interne Diskussion darüber verschärft, welche Rolle Immobilien im Gesamtportfolio spielen sollen. Statt das Engagement in spezialisierten und kapitalintensiven Nischen auszubauen, signalisiert NBIM eine klare Präferenz für Anlagen mit besserer Ertragstransparenz und geringerem operativem Risiko.

Fokus auf Wohnimmobilien und weniger volatile Segmente

Anstatt den medial besonders präsenten Anlageklassen zu folgen, erweitert NBIM seinen geografischen Fokus und überprüft seine sektoralen Prioritäten. Der Fonds hat Offenheit für Mietwohnungsbestände und studentisches Wohnen in Westeuropa, den Vereinigten Staaten und Kanada signalisiert, wo die Cashflows in der Regel stabiler und die Nachfrage breiter gestreut sind.

Diese Segmente mögen weniger vom Narrativ der KI-getriebenen Infrastruktur profitieren, entsprechen jedoch stärker dem Schwerpunkt von NBIM auf Beständigkeit, Skalierbarkeit und langfristiger Einkommensstabilität.

Bedeutung für den Gesamtmarkt

Die Haltung von NBIM stellt die grundsätzliche Attraktivität von Rechenzentren nicht infrage. Infrastrukturspezialisten, Private-Equity-Investoren und Akteure mit höherer Risikobereitschaft dürften weiterhin aggressiv Kapital in diesen Sektor lenken.

Wenn jedoch ein Staatsfonds mit einem Volumen von 1,7 Billionen Euro öffentlich Volatilität als Grund für Zurückhaltung nennt, sendet dies ein klares Signal. Konservatives institutionelles Kapital könnte selektiver werden und sich auf Anlagen mit gesicherter Energieversorgung, moderater Verschuldung und langfristiger Mietvertragsstruktur konzentrieren.

Diese Entwicklung könnte die Kluft zwischen erstklassigen, gut gelegenen Anlagen und stärker spekulativen Projekten weiter vergrößern.

Abschließende Perspektive

Der norwegische Staatsfonds wettet nicht gegen Rechenzentren. Er entscheidet sich lediglich dagegen, sie in einer Phase direkter zu besitzen, in der das Wachstum des Sektors von hoher Verschuldung, Energieunsicherheit und schnellen technologischen Veränderungen geprägt ist.

Für NBIM spiegelt diese Vorsicht den Kern seines Auftrags wider: den Schutz nationalen Vermögens über Generationen hinweg statt der Jagd nach dem gerade angesagtesten Investment. Im aktuellen Rechenzentrumsboom bleibt Stabilität – nicht Geschwindigkeit – der entscheidende Maßstab.

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