In ganz Europa erleben verlassene Dörfer eine stille Renaissance. Von den sonnigen Hügeln Italiens über die grünen Täler Spaniens bis hin zu den abgeschiedenen Regionen Frankreichs – diese einst vergessenen Orte werden wiederbelebt. Getrieben wird dieser Wandel von ökologisch denkenden Unternehmern, digitalen Nomaden, Künstlern und Investoren, die nach Sinn, Nachhaltigkeit und Gemeinschaft suchen.
Warum Dörfer verlassen wurden – und warum das jetzt eine Chance ist
Seit den 1950er Jahren sind viele Dörfer durch Landflucht, fehlende Arbeitsplätze und mangelnde Infrastruktur entvölkert worden. Doch die zunehmende Attraktivität des Landlebens, Remote-Arbeit und staatliche Förderprogramme machen die Wiederbesiedlung ländlicher Gebiete heute möglich – und attraktiv.
„Das ist eine historische Chance, Orte mit tiefen kulturellen Wurzeln wieder mit Leben zu füllen“, sagt Ursula Lichtenberg, Beraterin für ländliche Immobilieninvestitionen.
Wo man verlassene Dörfer findet
Mehrere EU-Länder fördern aktiv die Wiederbelebung ländlicher Gebiete:
- Italien – Kalabrien, Molise, Toskana, Piemont (inkl. 1-€-Hausprogramme)
- Spanien – Galicien, Aragón, Kastilien und León (ganze Weiler im Angebot)
- Portugal – Alentejo und das gebirgige Zentrum
- Frankreich – Limousin, Auvergne, Pyrenäen
- Osteuropa – Bulgarien und Rumänien mit sehr günstigen Grundstücken
Plattformen wie Idealista, Green-Acres oder AldeasAbandonadas listen komplette Dörfer zwischen 50.000 € und 500.000 € – je nach Zustand und Lage.
Schritt-für-Schritt: So kauft man ein Dorf
Schritt 1: Recherche und Standortwahl
Wichtige Kriterien:
- Bausubstanz und Zustand
- Anschluss an Wasser, Strom, Internet
- Eigentumsverhältnisse klären
- Unterstützung durch Gemeinde oder Behörden
Schritt 2: Eigentumsverhältnisse prüfen
Ein häufiger Stolperstein ist die fragmentierte Eigentumsstruktur – oft gehören die Gebäude mehreren Erben, die schwer auffindbar sind.
„Wir haben zwei Jahre gebraucht, um alle Eigentümer ausfindig zu machen“, berichtet Rafael Cortés, der ein Dorf in Galicien kaufte.
Schritt 3: Notarieller Kauf
Notarielle Kaufabwicklung mit:
- Grunderwerbsteuer
- Aktualisierung im Grundbuch
- Begleichung etwaiger Schulden oder Rückstände
Eine Zusammenarbeit mit einem örtlichen Anwalt und Gutachter ist empfehlenswert.
Schritt 4: Renovierung und Planung
Oft sind historische Vorgaben einzuhalten. Man sollte:
- Mit Denkmalschutzarchitekten arbeiten
- Baupläne genehmigen lassen
- Nationale Bauvorschriften einhalten
Schritt 5: Konzept zur Wiederbelebung
Langfristige Nutzungsmöglichkeiten:
- Ökodorf oder Co-Housing
- Rückzugsort für digitale Nomaden
- Künstlerresidenz
- Tourismus (Glamping, Boutique-Hotels)
- Lernbauernhöfe oder Permakulturzentren
Förderungen durch EU und Staaten
Mehrere Länder bieten Fördermittel an:
- Italien – Zuschüsse bis zu 40.000 € für Renovierung
- Spanien – Förderungen für energieeffizientes Bauen, ländliche Ansiedlung
- Portugal – Steuererleichterungen, „Renovieren zum Vermieten“-Programme
- Frankreich – Zuschüsse über ANAH für Sanierungen
EU-weite Programme:
- LEADER & ELER – Ländliche Entwicklung
- LIFE – Umwelt- und Klimaschutz
- Horizont Europa – Innovation im ländlichen Raum
Erfolgsbeispiele
Borgomezzavalle, Italien
1-€-Häuser und Zuschüsse für Familien. Heute leben hier Kreative, digitale Arbeiter und Handwerker.
Ponga, Spanien
3.000 € Prämie für Neuansiedlung. Alte Häuser wurden zu Öko-Unterkünften umgebaut.
Courbefy, Frankreich
Ein Künstler kaufte das Dorf im Limousin – heute finden dort internationale Kulturveranstaltungen statt.
Finanzieller Überblick
Kategorie | Geschätzte Kosten (€) |
---|---|
Kaufpreis des Dorfes | 50.000 – 250.000 |
Notar & Rechtsberatung | 3.000 – 10.000 |
Architekten & Planung | 10.000 – 50.000 |
Sanierungskosten pro m² | 800 – 1.500 |
Infrastruktur (Wasser, Strom) | 20.000 – 100.000 |
Mögliche Einnahmen:
- Vermietung von Häusern
- Retreats, Seminare, Workshops
- Tourismusbetrieb
- EU- oder Regionalförderung
Stimmen aus der Praxis
„Wir haben ein Co-Living-Dorf für Remote-Arbeiter aufgebaut – mit Glasfaser, Solaranlage und Coworking-Space“, sagt Andrea Bianchi, Gründer von OffGrid Village in Kalabrien.
„Ich wollte nur ein Atelier. Jetzt betreibe ich ein Künstlerdorf mit regelmäßigen Ausstellungen“, erzählt Emmanuelle Dumont aus Frankreich.
Fazit
Ein verlassenes Dorf zu kaufen und wiederzubeleben erfordert Geduld, rechtliche Klarheit und eine nachhaltige Vision. Doch der Gewinn ist enorm – kulturell, wirtschaftlich und menschlich.
Für Träumer, Investoren und Nachhaltigkeitspioniere bieten diese Orte eine einzigartige Chance, Teil eines neuen Kapitels im ländlichen Europa zu werden. Europas vergessene Orte erwachen – vielleicht mit Ihrer Hilfe.