Der europäische Markt für Gewerbeimmobilien befindet sich im Jahr 2025 in einem tiefgreifenden Umbruch. Analysten führender Immobilien- und Finanzunternehmen wie JLL, CBRE, Savills und MSCI sind sich einig: Ein Großteil der gewerblichen Immobilien in Europa ist aktuell deutlich unterbewertet. Verantwortlich dafür sind die gestiegenen Zinsen, veränderte Nachfragestrukturen und eine allgemeine Neubewertung von Risiken am Kapitalmarkt.
Je nach Region und Segment notieren viele Immobilien aktuell mit Abschlägen zwischen 15 % und 40 % im Vergleich zu den Höchstständen der Jahre 2019 bis 2021. Für opportunistische Investoren mit langfristigem Horizont ergeben sich daraus attraktive Einstiegsmöglichkeiten.
Ursachen der Unterbewertung: Zinspolitik und Risikoanpassung
Der maßgebliche Auslöser der Marktbewegung war die Zinserhöhung durch die Europäische Zentralbank. Seit 2022 hat die EZB den Leitzins kontinuierlich erhöht und im Jahr 2025 ein Niveau von 4,25 % erreicht – der höchste Stand seit über 20 Jahren.
Folgen:
- Deutlich höhere Finanzierungskosten für Immobilieneigentümer
- Schwächere Investitionsnachfrage, insbesondere bei fremdfinanzierten Käufen
- Rückläufige Bewertungen, vor allem bei Objekten mit Sanierungsbedarf oder schwacher ESG-Bilanz
Besonders betroffen sind Büro- und Einzelhandelsimmobilien in B- und C-Lagen. Laut dem MSCI Europe Real Assets Index sind die Preise für Büroimmobilien in europäischen Großstädten seit 2021 im Schnitt um 23 % gefallen.
Wo die größten Abschläge zu finden sind
Die stärksten Korrekturen verzeichnen:
- Deutschland – In Frankfurt, München und Berlin liegen die Preise für Büroobjekte 30–35 % unter dem Niveau von 2019, die Spitzenrenditen sind auf 5,5 % oder mehr gestiegen.
- Frankreich – Während der Pariser Markt weitgehend stabil bleibt, verlieren regionale Einzelhandels- und Hotelimmobilien 20–30 % an Wert.
- Spanien und Portugal – Hotels und Serviced Apartments außerhalb der Kernmärkte notieren mit 35–40 % Abschlag.
- Italien – In Mailand halten sich die Preise, doch in Städten wie Bologna oder Genua sind sie um über 25 % gefallen.
- Zentraleuropa (Polen, Tschechien, Ungarn) – Rückgänge von 15–25 %, vor allem wegen steigender Finanzierungskosten und Wechselkursrisiken.
Logistik robuster, aber nicht immun
Der Logistiksektor zeigt sich widerstandsfähiger, doch auch hier sind leichte Rückgänge sichtbar. Die Preise sanken um 10–15 %, die Renditen liegen derzeit bei 4–4,5 %. Eine Logistikimmobilie in der Nähe von Paris, die 2021 für 2.800 €/m² gehandelt wurde, wird heute für etwa 2.400 €/m² bewertet.
Was sagen die Experten?
Laut dem neuesten Bericht von Savills:
„Die aktuellen Bewertungen spiegeln weniger die Qualität der Objekte als vielmehr die Unsicherheit an den Finanzmärkten wider.“
Andrew Hilton, Leiter der Kapitalmärkte bei Savills Europe, ergänzt, dass viele Investoren lediglich abwarten – nicht aus Zweifeln an den Assets, sondern wegen teurer Finanzierungen und mangelnder Preistransparenz.
CBRE stellt fest, dass die Spitzenrenditen für Büroimmobilien in Westeuropa von 3,25 % auf 5,25 % gestiegen sind – und damit die Risiko-Rendite-Profile wieder attraktiver machen.
Beispielhafte Transaktionen zeigen Trendwende
Trotz allgemein niedriger Transaktionszahlen gab es 2025 bereits einige bedeutende Abschlüsse:
- KKR kaufte ein Büroobjekt in Amsterdam für 310 Millionen Euro – mit 22 % Abschlag zur Vorbewertung.
- Allianz Real Estate investierte 470 Millionen Euro in Logistikportfolios in Mittelosteuropa.
- Brookfield steht vor dem Kauf eines Businesspark-Portfolios in Deutschland mit 35 % Preisnachlass.
- Nuveen startete einen 600-Millionen-Euro-Fonds speziell für notleidende Immobilien.
Diese Beispiele zeigen: Institutionelles Kapital ist bereit zu investieren – sofern die Preise stimmen.
Wer jetzt kauft – und warum
Zu den Gewinnern der aktuellen Marktlage gehören:
- Private-Equity-Fonds mit Erfahrung in der Restrukturierung von Distressed Assets
- Pensions- und Versicherungsfonds, die langfristige Renditen mit Inflationsschutz suchen
- Core-plus- und Value-Add-Investoren, die ESG-Potenziale heben wollen
- Staatsfonds und Family Offices mit ausreichender Liquidität und geringer Fremdkapitalquote
Verlierer sind vor allem stark verschuldete Projektentwickler, die nicht refinanzieren können und verkaufen müssen – was die Preiskorrektur weiter verstärkt.
Risiken bleiben bestehen
Trotz der attraktiven Einstiegspreise warnen Analysten vor Übermut:
- Sanierungen nach ESG-Kriterien kosten oft 500 bis 1.500 €/m²
- Schwache Flächennachfrage in älteren Büroobjekten mit schlechter Lage
- Zinsrisiko: Eine längere Hochzinsphase könnte die Erholung verzögern
- Regulatorische Unsicherheiten, z. B. durch Energieeffizienzgesetze oder Mietpreisregulierungen
Wendet sich der Markt?
Einige Marktbeobachter sehen Anzeichen für eine Bodenbildung. Laut JLL:
„Die Preiserwartungen von Käufern und Verkäufern nähern sich an. Ab dem vierten Quartal 2025 erwarten wir wieder mehr Transaktionen.“
Das könnte den Übergang von defensivem Kapitalerhalt zu strategischem Aufkauf markieren – vergleichbar mit der Markterholung nach der Finanzkrise 2008.
Fazit
Die Mehrheit der europäischen Gewerbeimmobilien ist im Jahr 2025 unterbewertet. Die Ursachen sind struktureller Natur – nicht Ausdruck einer Krise, sondern einer Anpassung an neue Rahmenbedingungen.
Für Investoren mit Kapital, Know-how und langem Atem bietet sich jetzt eine der besten Chancen seit über einem Jahrzehnt. Entscheidend wird jedoch die Auswahl der richtigen Märkte, Objekte und Strategien im veränderten Investitionsumfeld sein.